8xFurka

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4. Tag

 

Sonntag 16.8.09         IGC-Downlaod oder Online Contest (OLC)

Eine Änderung der seit drei Tagen nicht vorhandenen Großwetterlage war auch heute nicht in Sicht. "Ist doch Furka -Wetter" war mir sofort klar. Da Lucy gestern den ganzen Tag fest verzurrt am Boden stand, hatte ich was gut zu machen. Schon gestern Abend versprach ich ihr für heute einen schönen Flug. So gegen 08:00 brachte ich sie an den Start und betankte sie dort auch noch mit 80 Liter Wasser, um ihr klar zu machen, dass ich einen schönen Tag erwartete. Das gefiel ihr sehr, was man daran merkte, dass sie ganz  leise schnurrte, als ich ihr den Morgentau mit einem weichen Leder vom Körper wischte. Beim Einbau der Akkus (immerhin vier Stück zu je 3,5 kg) schien sie sich regelrecht aufzublähen, wohl damit mir das Verschrauben leicht fallen würde. Tja, wir verstehen uns halt! Dann verließ ich Lucy für Frühstück, Wettercheck und Bad, aber nicht ohne ihre Anmerkung, dass sie mich um 11:15 zurückerwarten würde. Sie ließ  mich wegen des gestrigen Techtelmechtels mit dem Doppelsitzer irgendwie fühlen, noch einen Bonus ausspielen zu können. Das hatte ich verstanden, drum war ich pünktlich um 11:15 wieder bei ihr. Gleich begann ich, sie mit ihrer Lieblingspolitur einzureiben... ein kurzes Quieken beim Abreiben, da war mir klar: Sie war zufrieden mit mir ;-)

Während zarter Liebkosungen, bei denen ich mich auch einmal ganz ohne Fallschirm und T-Shirt in die Lucy legte, einigten wir uns, um 11:40 zu starten. Dieser direkte Kontakt betörte zugegebenermaßen auch mich. Ihren sanften Ton noch im Ohr und mit erotisch verklärtem Blick tänzelte ich zum Schleppiloten*, der, etwas irritiert von meinem Anblick aber mit viel Verständnis, mir den Wunsch früher zu starten nicht abschlagen konnte. Der Start klappte ganz gut und noch bevor ich am Ausklinkknopf zog, hatte sich Lucy dicht über dem Grat der Aguille in 1350m Höhe schon vom Schleppseil befreit. Meine Anmerkung, ob das in Anbetracht von 80 Litern Wasser in den Flügeln und der frühen Zeit nicht ein bisschen voreilig ausgeklinkt sei, wischte sie mit zartbeseelten Schwingungen beiseite, die soviel bedeuteten wie "Liebster, entspanne dich , ich mach' das schon". Wenn sie so etwas schwingt, was ganz selten vorkommt, lege ich mich in sie hinein und entspanne mich wie ein Baby in den Armen seiner Mutter in der Gewissheit, dass alles in bester Ordnung ist. Tatsächlich waren wir nach 25 Minuten in passablen 3000m Höhe. Respekt, das hätte ich so nicht geschafft! So können wir es den ganzen Tag halten,dachte ich: Sie folgt ihren weiblichen Intuitionen, ich ihren Wünschen, lasse mich herumfliegen und schieße ab und zu mal ein Foto.

Sie machte einen guten Job. Zielstrebig flog sie weiter zum Südrand des Bergrückens vom l´Obiou. Hier stand eine prima Wolke und als könnte sie ihn sehen, flog sie auf den Bart zu,  kreiste ein und stieg mit 3,7 m/s integriert 1400m lang auf 3950m. "Verdammt gut die Lucy, vielleicht sollte ich sie öfters mal entscheiden lassen" säuselte ich leise vor mich hin, was sie natürlich sofort hörte und durch ein kurzes, hochtöniges Gepiepe im Variometer bekräftigte. 

Schnell und komfortabel flogen wir vorbei am Col du Galibier, am Lac du Mont Cenis, an der Westseite des Grand Paradiso, an Matterhorn und dem 4545m hohen Dom vorbei, um erst am Simplon erneut Höhe zu tanken. Viertel vor drei waren wir südlich des Furka in 3000m. Das war flott.... "und jetzt zurück in den Süden", dachte ich mir, aber da hatte ich mich geirrt. Lucy flog einfach weiter nach Osten. Nach ein paar Minuten gab es einen Richtungswechsel: "Danke, Lucy, umdrehen halte ich ehrlich gesagt auch für besser". Schon wieder Fehlanzeige. Langsam wurde mir ihr Plan klar: Sie nahm - an Sedrun vorbei - Nordkurs zum Oberalbstock,  und bog dort wieder nach Osten ein.... sie wollte die Nordseite des Rheintales entlang nach Chur, Neuland für uns beide! "Du musst den Rückschlepp ja nicht bezahlen!", bemerkte ich in deutlichem Ton, aber dieser Einwand half nicht. Als wir an den Skiliften von Flims um halb vier das zweite Mal unter geschlossener Wolkendecke in einen Schauer kamen,  flogen wir endlich zurück. Sie wählte fast den gleichen Weg, mit dem Unterschied, dass es inzwischen an viel mehr Stellen schauerte. Lucy war wenig beeindruckt und brachte uns innerhalb einer guten halben Stunde zum Gotthard -Pass. Überall war es hier zugezogen und über 2900m war hier nicht mehr zu kommen. Nun bemerkte ich doch eine gewisse Unruhe im Steuerknüppel... sie wurde nervös! Es ging weiter zum Nufenenpass wohl in der Hoffnung, dass die Hänge dorthin tragen würden. Das taten sie aber nicht. Wir mussten umkehren in diesem doch etwas bescheidenen Wetter. "Willst du nicht mal fliegen?" fragte sie mich erkennbar irritiert von dem plötzlichen Umkippen des Wetters. Vielleicht hätte ich ihr am Morgen doch etwas von der im Wetterbericht angekündigten Störung von Westen her sagen sollen. Etwas unwillig meinte ich nur, dass ich für sie nicht die Kohlen aus dem Feuer holen würde. Bei Ambri fanden wir einen Brisenhang, der uns eine halbe Stunde später auf 2900m brachte. Es ging  wieder nach Westen, aber dieses mal auf der Südseite des Tales, dem besseren Weg. Mit kleinen Bärten vorlieb nehmend flogen wir um kurz vor fünf  über den Nufenen Pass in das Wallis ein. Auch hier war alles abgeschattet. Lucy wusste, was los ist: Die Zeit rennt davon. Mit 200 km/h donnerten wir - die 80 Liter Wasser immer noch in den Flügeln - aus dem Oberwallis heraus, machten uns erst am Hang des zuverlässigen Bättlihornes und danach am Hang des Simelihorn wieder hoch. Um halb sechs waren wir am Eingang des Mattertales und kurz darauf in 3600m an selber Stelle. Damit hatten wir wieder alle Karten in der Hand. Da ich nichts zu tun hatte, funkte ich ein bisschen herum und siehe da, es meldete sich ein Pilot, der gerade am Matterhorn vorbei wieder auf dem Weg nach Norden war, wo es seiner Meinung nach wieder besser ausgesehen haben soll. 

Matterhorn

Bild: Blick aus ca. 3400m Höhe vom Dom Richtung Zermatt
Das unlandbare Mattertal ist ca. 30km tief, und am Ende muss man über  den  3300m hohen Theodulpass. Wenn  man es nicht schafft, verliert man viel Zeit. Ist es dann noch nicht zu spät, kann man es noch über  Chamonix oder den kleinen St. Berhard Pass nach Hause versuchen.




Wir allerdings waren im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht über diesen Berg! Vorsichtig flogen wir die Höhe haltend am Dom entlang aber es war zu spät. Der Kessel von Zermatt regnete bereits überall aus. Lucy machte auf dem Winglet kehrt und bohrte mir dabei versehentlich den Steuerknüppel kräftig in den linken Oberschenkel, was ihr doch leid tat. Schnell raus aus diesem Tal, damit sich vielleicht noch ein Rückweg am Mont Blanc finden ließe, so erklärte sie es mir nach der Landung. Halb sieben waren wir südlich von Sion in 3500m. Leider half das nichts mehr, die Störung hatte die Thermik nach Westen und Südwesten hin mit Abschirmung und Regen ausgehungert. Ich bot Lucy an, per Funk den Flughafen Sion bezüglich Landeinformationen und Schleppmöglichkeiten für den nächsten Tag zu befragen, was sie dankend annahm. Die Controller sprechen dort Französich und Englisch, beides nicht gerade Lucys starke Seite. Zur Talquerung rastete ich den vom Controller zugewiesenen Transponder-Code, damit er unsere Höhe, Kurs und Geschwindigkeit im Auge behalten konnte.

"Delta zero eight niner niner are you sure that type of aircraft is glider?"

"Yes, I am. Why do you ask?"

"Your ground speed is above 240 km/h, very much for a glider!"

Ich übersetzte es für Lucy, sie grinste von einem Winglet bis zum anderen. Ihr war klar, eine Nacht im Freien auf einem fremden Flugplatz verbringen zu müssen, da wollte sie sich gleich mal von ihrer besten Seite zeigen. Wir schwebten ein auf die Grasbahn des am internationalen Flughafen Sion ansässigen Segelflugvereines, vorbei an einer alten Super Constellation. So große Artgenossen hatte sie bis dahin nur auf dem Flughafen Turino Caselle gesehen. Herzlich wurden wir empfangen und versorgt. Es gibt in Sion eine gut gepflegte Jugendherberge von der aus ich am nächsten Morgen bei schönstem Wetter zu Fuß zum Flugplatz gelangen konnte. Sion ist eine schöne alte Stadt, in deren Mitte man wunderbar essen gehen kann.

Matterhorn


Bild: Die flugfähige Super Constellation auf dem internationalen Verkehrsflughafen Sion 

Das Foto wurde am Vormittag des Folgetages aufgenommen.


 Zum nächsten Tag

* ppp sieht einfach zu blöd aus (als hätte man einen Tremor beim Schreiben)