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Lost in Italy |
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Tag 2 |
Montag 21.8.06 IGC-Downlaod Am nächsten Tag wird mir klasse geholfen, so kann ich gegen 11:00 starten. Tief geklinkt und lang den Hang poliert macht sich das Wetter so gegen 12:00 ganz ordentlich. Super, das ist Heimflugwetter. Besser eigentlich noch. Da kann man doch erst mal ein Stück in die andere Richtung schauen. Ich verabschiede mich über Funk mit dem Versprechen Marseille Info zu kontaktieren, wenn ich wieder nach Frankreich einfliege. Das Ziel ist schnell festgelegt: Samedan, wenn's schnell genug geht. Es läuft gut. An Locarno vorbei - mit Transponder und Freigaben - bin ich schnell am Comer-See. Im Tal Richtung Samedan, dem Val Bregaglia - wird es etwas schwieriger und so entschließe ich mich, ca. 25km vor Samedan - am Maloja - in 2500 zu wenden, schließlich will ich ja noch nach Serres, was ja auch noch ca.400km sind! Mit Mühe geht es hier wieder weg, aber das war zu erwarten. Um abzukürzen und Boden gut zu machen, will ich diesmal südlich von Locarno bleiben. Das läuft nicht gut. In 1500mNN muss ich 20 Minuten parken und bekomme dafür 1000 Höhenmeter dazu. Südlich von Domodossola wird das Wetter schlechter, der Weg direkt am Monte Rosa vorbei nach Aosta ist unmöglich. Ein neuer Plan muss her: Erst nach Südenwesten, dann entscheiden, ob in Richtung Aosta abgebogen wird oder ob die Querrippen südlich des Gran Paradiso zum Susa-Tal angeflogen werden. Irgendwas davon muss ja gehen. Am Rand der Po-Ebene entlang gleitend mit blauen wolkenlosen Himmel und Höhe verlierend - in die stabile Ebene mag man wirklich nicht schauen - erkenne ich schnell, dass es wohl nur noch nach Aosta reichen kann. Das Wetter in den Alpen ist einfach zu schlecht geworden. Mit allen Tricks versuche ich den Einstieg ins Aosta Tal. Tief rein, tiefer raus. Dann halt nochmal: Höher rein noch tiefer raus. OK: Woanders rein, fast garnicht mehr raus. Das kostet Nerven und Zeit.
Nach einigen Versuchen entscheide ich mich notgedrungen, am Taleingang am Rande der Po-Ebene auf dem Flugplatz Ivrea zu landen. Aber eins ist noch zu tun: Aosta anfunken und bitten, Marseille zu informieren, dass ich in Italien bleibe, schließlich will ich nicht den SAR aktivieren. Leider erreiche ich sie nicht, aber 1300m sollte doch wenigstens für Funkkontakt mit Turin reichen. Nearest Airport -Funktion im Logger aktiviert, so habe ich schnell die Frequenz von Turin. In Englisch - wie der gesamte Funkverkehr - gebe ich bekannt, dass ich vom Typ Segelflugzeug bin und trage mein Anliegen vor. Sofort sind sie bereit, mir zu helfen und Marseilles zu informieren. Kurze Zeit später werde ich von Turin gerufen mit der Auskunft, den Flugplatz Ivrea gäbe es nicht (mehr). "Verflixt, das gibt es doch gar nicht" denke ich mir. Mit der Höhe ist ein schneller Entschluss fällig, inzwischen ist es auch schon wieder halb acht. "Ok, dann sollte ich wohl versuchen, nach Turin zu kommen, allerdings bin ich 100m unter Gleitpfad und 40km entfernt!"
Kurz entschlossen drehe ich ab ohne Ivrea zu suchen. Versuchen kann man es
ja... wo ich einen Acker nehme ist schließlich egal. "D-99, wo sind
Sie nun?" Wenn ich das geahnt
hätte, wäre ich bei Locarno sparsamer gewesen. Es war ja
schon der 2. Flugtag ohne Lademöglichkeit!
"D-99, wo sind
Sie?"
Ein Flug mitten in der Po-Ebene von Norden her Turin anfliegend, absolut ruhige Luft inzwischen nach acht und etwas diesig, absolutes Neuland und erstaunlich wenig Landbares...das macht nervös, jetzt bloß nicht an die Rückholtour denken. Es ist drückend und warm im Cockpit und um keinen Meter Höhe zu verschenken, schalte ich die Lüftung ab und atme flach, um Erschütterungen zu vermeiden :-( Der Mann am Funk erzählt mir noch irgendwas, was ich aber schon wegblende, ich glaube es geht um einen Helikopter am Flugplatz. Vor mir in der Ferne
startet ein Airliner gegen meine Flugrichtung, der bald nach links
abdreht; ein nettes Bild, das beruhigt und man fühlt sich nicht
mehr so einsam in der Luft. "D-99, now you are number one!" OK, denke ich mir aber etwas ungewöhnlich ist die Info für einen Flugplatz schon. "Sie haben Landerichtung 18" Na, da bin ich aber froh, wäre allerdings sowieso ohne Platzrunde direkt gelandet. Inzwischen ziemlich tief, aber laut Rechner 130m im Plus - das ruckelfreie Atmen hat sich ausgezahlt - fährt es mir plötzlich ins Herz: Landung 18 ?? Moment mal, auf der Karte haben die doch 27 und 09, so finde ich die Bahn ja nie. Schnell die Karte rausgeholt und
nachgeschaut - Schock, Schwerenot - der falsche Platz, ich spreche die ganze Zeit mit dem Kontroller vom
internationalen Flughafen von Turin Caselle! Jetzt sehe ich auch die Landebahn, Mensch ist die groß!
"Turin, jetzt sehe ich die Bahn, ich bin jetzt
safe. (Schließlich will ich ja nicht die Airliner vom Starten abhalten)
"D-99, landen Sie auf der Bahn!" "Wo hätten Sie es denn gern, am Anfang, in der Mitte oder ganz im Süden?" "Das ist Ihre Entscheidung, die Bahn gehört Ihnen!"
OK, meine Entscheidung, die Bahn ist Mein, aber ich will sie eigentlich nicht mal geschenkt haben. Kurz landen, den ersten Taxiway rechts raus und so tun, als wäre ich gar nicht da, ja so mach ich's. Direkt nach dem Aufsetzen drehe ich ab auf den ersten Zubringer, der ja heute eigentlich der letzte Abrollweg für die Gegenrichtung ist, und schon bin weg von der Landebahn. Na, immerhin, das hat geklappt. Nach dem Öffnen der Haube endlich wieder frische Luft und Ruhe. Aber nicht lange. Neben mir schwebt nun ein wirklich dicker und lauter Hubschrauber. Aus ihm springen vier Menschen in Montur, rennen zu mir und... wollen mich nicht verhaften sondern Lucy zur Seite schieben. Ich suchte Kameras und James Bond, aber das war alles echt!
"Das wird nicht billig", denke ich mir. Aber was soll ich machen, nun ist es, wie es ist. Es stellte sich heraus, dass der Kontroller einen Helikopter aktivierte, um die Einschlagstelle sofort lokalisieren zu können, falls ich es nicht bis zum Flughafen schaffen sollte. Tatsächlich sind die Landemöglichkeiten im Bereich davor nicht gerade üppig verteilt. Die Bahn wurde für mich etwa eine viertel Stunde lang freigehalten. Der Rest des Abends beinhaltet eine nette Führung durch sämtliche Räume des Flughafens. Zum ersten Mal brauche ich wirklich alle Papiere, die man so an Bord hat. Ich komme mir vor, wie jemand, der das Prozedere an internationalen Flughäfen im "Film- rückwärts- Modus" durchläuft. Nach mehreren Stunden sind die Formalitäten erledigt und Lucy wird zu Fuß mit drei weiteren Leuten vom Flughafen in Begleitung eines Follow Me auf der Wiese unter dem Tower abgestellt. Sie steht dort wie ein Museumsstück aus Zeiten, in denen man dort noch Segelflug betrieb. Gegen elf Uhr nachts bin ich dann endlich mit einem Taxi zu einem Hotel gelangt. Da ich selten meinen Autoführerschein beim Fliegen dabei habe, war das Mieten eines Autos leider unmöglich. Im Stadtteil des Hotels findet sich sogar noch ein Toast und ein Bier während dicht über der Stadt wieder Airliner an- und abflogen.
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